Abenteuer Alpenüberquerung

Ja, es ist ein Abenteuer und es braucht auch ein kleines bisschen Mut und Vorbereitung sich auf eine Alpenüberquerung einzulassen. Die Idee ist dann die eine Sache, die Umsetzung wieder eine ganz andere. Damit nichts mehr dazwischenkam, habe ich nach eingehender Recherche mehrerer Bergschulen, die für mich sympathischste herausgesucht, gebucht (E5 – Oberstdorf nach Meran) und meinem besten Wanderbuddy (meinem Mann) zum 50. Geburtstag geschenkt. Wir hatten irgendwann schon mal zusammen diese Idee gehabt aber sie war im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten. Er hat sich zum Glück wirklich darüber gefreut und es gab auch kein Zurück mehr 🙂

Da ich der Meinung bin, dass man ab einem gewissen Alter ein bisschen Komfort vertragen kann, hatte ich die sogenannte Komfort-Tour gebucht. D.h. keine Hüttenübernachtung mit Matratzenlager sondern ein nettes Doppelzimmer in einem Hotel/Pension unten im Tal. Die Route verläuft trotzdem sehr ähnlich wie die der klassischen Alpenüberquerung und ist auch nicht weniger anstrengend.

Treffpunkt war sonntags um 10 Uhr in Oberstdorf am Bahnhof. Das Auto stellten wir im Parkhaus der Eishalle ab – hatte den Vorteil, dass man hier mit EC-Karte zahlen konnte. Auf den Parkplätzen P1 und P2 muss man selbst bei einer Parkdauer von einer Woche mit Münzgeld zahlen – da braucht man dann doch schon einiges an Münzen für den Automaten… In einer viertel Stunde waren wir dann auch schon mit unserem Sack und Pack am Bahnhof, sprich: eine kleine Tasche für Meran, die wir abgeben konnten und unser Rucksack als Begleiter für die kommende Woche (dringende Empfehlung: versucht unbedingt unter 9 kg zu bleiben – man kann sich hier wirklich gut auf das Allernötigste beschränken und jedes Gramm zuviel tut schon bald weh… 8 kg sind denke ich optimal).

TAG 1 – Nachdem wir die Gruppe und unsere beiden Guides Eva und Marc kennengelernt hatten, ging es dann auch schon ins Taxi nach Spielmannsau, einem Gasthof auf 1.000m, der 8km südlich von Oberstdorf liegt. Von dort starteten wir mit unserem Aufstieg zur Kemptner Hütte (1.846m). Wir hatten Glück und unsere großen Rucksäcke wurden mit der Materialseilbahn bis zur Hütte transportiert, so dass wir mit einem leichten Tagesrucksack starten konnten. Der Aufstieg war abwechslungsreich und ging entlang der Trettach durch den sehr wilden Sperrbachtobel, der zu einem großen Teil sehr felsig war.

Nach unserer Mittagspause auf der Hütte ging es dann auch schon frisch gestärkt weiter bergauf zum Mädelejoch auf 1.973m. Hier überschritten wir dann auch die Grenze zwischen Bayern und Tirol und hatten einen wunderschönen Ausblick über die Lechtaler Alpen.

Für den Abstieg nach Holzgau durch das Höhenbachtal, vorbei am Simms-Wasserfall, schlug dann allerdings das Wetter um und trotz Regenklamotten und kleinen Schirmen war am Ende des Tages glaube ich von niemandem mehr irgendein Kleidungsstück trocken… es regnete den kompletten Abstieg in Strömen. Gegen 19 Uhr kamen wir in unserem Gasthof an – wie toll kann bitte eine heiße Dusche sein? 😉

Fazit Tag 1: Nette Leute, super Guides, abwechslungsreicher Auf- und Abstieg, recht feucht 😉

Gehzeit: 6 Stunden – Strecke: 16 km – Aufstieg: 1.012 HM – Abstieg: 897 HM

Tag 2 – Nach einem guten Frühstück gab es wieder eine kurze Taxifahrt über Steeg zur Kaiseralm. Von dort wanderten wir gute 2,5 Stunden zum Kaiserjochhaus (2.310m). Das Kaiserjochhaus liegt am Lechtaler Hauptkamm des Kaiserjochs zwischen Kaisers im Lechtal und Pettneu im Stanzertal am Arlberg.

Bevor es an den Abstieg ging, kletterten wir mit einem Teil der Gruppe noch über einen sehr interessanten und recht anspruchsvollen Klettersteig hoch zum Malatschkopf (2.390m).

Dann ging es auch schon wieder nach unten ins Stanzertal nach Pettneu. Mit dem Bus ging es dann nach Zams zu unserem Gasthof.

Fazit Tag 2: Das Lechtal ist wunderschön und wir schaffen sogar einen anspruchsvollen Klettersteig

Gehzeit: 5:20 Stunden, Strecke: 12,6km – Aufstieg: 900 HM – Abstieg: 1.167 HM

Tag 3 – Heute stand laut unserer Bergführerin Eva eine „aktive Pause“ an. Sprich keine großen Höhenmeter und ein nicht ganz so anspruchsvoller Weg wie die beiden vorherigen Tage. Von Zams ging es mit der Venetbahn auf den Krahberg auf 2.208m. Von dort war die Aussicht auf die Lechtaler Alpen wunderschön.

Der Panoramaweg führte uns durch viele Alpenrosen und ein Hochmoor. Leider waren die Wetterverhältnisse nicht so optimal. Wir blieben zwar diesmal vom großen Regen halbwegs verschont aber es war recht neblig und die Sicht dadurch sehr eingeschränkt. Zum Mittagessen auf der Larcher Alm kam dann aber die Sonne raus.

Auf dem steilen Almweg ging es zurück nach Wenns, von wo aus der Bus uns ins Pitztal nach Mittelberg ins Hotel brachte.

Fazit Tag 3: Ein Panoramaweg bei Nebel ist so ziemlich für die Füße

Gehzeit: 4 Stunden – Strecke: 11,3km – Aufstieg: 140 HM – Abstieg: 1.170 HM

Tag 4 – Nach einer kurzen Busfahrt zur Materialseilbahn der Braunschweiger Hütte (2.760m), wo wir die Rucksäcke einladen durften, ging es an den recht anspruchsvollen Aufstieg. Die Wege waren spannend und abwechslungsreich und definitiv alpin. Es ging durch die Felsen, vorbei am Wasserfall – überwiegend auf sehr schmalen und steinigen Wegen. Kurz vor der Hütte sahen wir sogar die Wildspitze, den höchsten Berg Tirols mit 3.772m, der eigentlich so gut wie immer im Nebel liegt.

Auf der Braunschweiger Hütte hatten wir richtiges Kaiserwetter und konnten im Sonnenschein auf der Terrasse unser Mittagessen genießen, nachdem wir unsere Rucksäcke wieder eingesammelt hatten.

Danach wurde es nochmal richtig anstrengend. Richtung Rettenbachjoch (3.000m) ging der Weg durch sehr steiles alpines Gelände aber dafür mit weitem Blick in die Gletscherwelt der Ötztaler Alpen. Um zum Rettenbachferner runter zu kommen, nahmen nun einige die Gondel, der Rest von uns wusste zu dem Zeitpunkt noch nicht so wirklich was uns erwartete, als Eva meinte „wir rutschen runter“… Im Klartext: Auf den Popo in den Schnee gesetzt, schön nach hinten gelegt (inklusive 8kg schweren Rucksack) und gib ihm… war auf jedenfall sehr erfrischend, als der Schnee sich so langsam zwischen T-Shirt und Rücken bis hoch zum Hals verteilt hat… 😉

Unten angekommen fuhren wir dann noch eine kleine Weile mit dem Bus, bevor es auf einem sehr idyllischen Panoramaweg weiterging. Auf einer Höhe von 2.000m verlief dieser wirklich schöne Wanderweg Richtung Venter Tal durch Zirbenwälder vorbei an alten Bauernstadeln. Die Aussicht auf die Stubaier Alpen, die Texelgruppe, den Similaun und der Tiefblick ins Venter Tal waren einmalig schön.

Fazit Tag 4: Die Natur ist wunderschön – der heutige Anblick mit all diesen tollen und grandiosen Aussichten hat mich ganz demütig werden lassen

Gehzeit: 6:10 Stunden – Strecke: 16km – Aufstieg: 1.400m – Abstieg: 950m

Tag 5 – Ein bisschen wehmütig traten wir heute unseren letzten Wandertag an. Vom Hotel ging es diesmal direkt los zu unserem ersten Ziel, der Martin-Busch-Hütte (2.501m). Hier haben wir den besten Apfelstrudel aller Zeiten gegessen!!

Zuvor passierten wir noch das Jägerlager Hohler Stein/Vent. An dieser Stelle lagerten steinzeitliche Jäger und Hirten in der Zeit zwischen dem 8. und 4. Jahrtausend vor Christus. Die Fundstelle von Ötzi, dem Mann im Eis, ist von hier ca. 12 km entfernt und es ist nicht auszuschließen, dass ihn sein Weg an diesem Felsen vorbeiführte. Der urzeitliche Lagerplatz wurde gemäß Ausgrabungsbefund partiell rekonstruiert.

Von der Martin-Busch-Hütte ging es dann noch weitere 2 Stunden sehr steil durch weites Gelände mit Bachläufen aus Gletscherwasser hoch zur Similaunhütte (3.019m). Teilweise mussten wir sogar noch Schneefelder duchqueren.

Die Berghütte steht direkt auf dem Niederjoch an der Grenze zwischen Österreich und Italien. Da uns noch ein langer Abstieg bevorstand, hatten wir nur einen recht kurzen Aufenthalt, bevor wir uns wieder auf den Weg machten. Die Weite der Landschaft am Niederjoch ist wirklich beeindruckend. Man schaut direkt zu Ortler und Königsspitze, den höchsten Bergen Südtirols.

Durch verschiedene Klima- und Vegetationszonen (von Geröllfeldern über einen Bergwald bis hin zu wunderschönen Blumenwiesen) ging es dann hinab ins Tisental. Hier sind noch die „drei Tore“ zu erwähnen, sprich drei Holzgatter, die aber das Finale dieser Etappe des E5 einläuten. Kurz vor dem Tisenhof unten im Tal ist dann das dritte und letzte Gatter zu durchschreiten – in diesem Moment weißt du „Ich hab’s geschafft“.

Ich werde diesen Moment niemals vergessen – so emotional, happy, erleichtert, ein kleines bisschen stolz und auch ein bisschen wehmütig, da nun schon wieder alles vorbei war. Ich hatte wirklich Pippi in den Augen und war nicht die einzige… 😉 Es wurde sich feste gedrückt und/oder abgeklatscht.

Es gab noch einen letzten kurzen Abstieg zum See, wo unser Bus auch schon wartete, der uns dann nach Meran brachte.

Wie die Abende zuvor haben wir im Hotel wieder gemeinsam gegessen und ließen die letzten Tage noch mal gemeinsam Revue passieren. Es wurde ein ausgelassener und feucht-fröhlicher Abend. 😉

Fazit Tag 5: Man schafft soviel mehr, als man sich vorstellen kann

Gehzeit: 7 Stunden – Strecke: 20,3km – Aufstieg: 1.160 HM – Abstieg: 1.350 HM

Tag 6 – Heute lag noch mal ein Tag in Meran zur freien Gestaltung vor uns – wir haben erstmal ausgeschlafen und gemütlich gefrühstückt bevor wir uns auf den Weg ins Zentrum gemacht haben. Meran gehört definitiv zu meinen Lieblingsstädten in Südtirol, ich finde das Städtchen wunderschön.

Wir sind den sehr schönen Sissi-Weg gelaufen, der von der Stadtmitte bis hin zum Schloss Trautmannsdorff führt. Die Kaiserin Sissi verbrachte zwei von insgesamt vier Kuraufenthalten in Meran auf Schloss Trauttmansdorff. Die Gärten sind wunderschön, in über 80 Gartenlandschaften blühen und gedeihen verschiedenste Pflanzen aus aller Welt.

Zurück in der Stadt waren wir noch ein bisschen bummeln, Eis essen und haben uns ein nettes Plätzchen in einem Café gesucht. Zurück im Hotel gab es noch ein letztes gemeinsames Abendessen mit unserer Gruppe.

Am nächsten Tag wurde wir mit dem Bus wieder zurück nach Oberstdorf gebracht und mit dem Auto ging es dann wieder nach Hause.

FAZIT ABENTEUER ALPENÜBERQUERUNG: Diese Woche war einfach einmalig. Wir waren recht gut vorbereitet, da wir die letzten Monate viele Wanderungen mit entsprechenden Höhenmetern gemacht haben. Auch den Rucksack hatten wir mit entsprechendem Gepäck und Kilos zum Üben immer dabei. Bücher oder kühle Getränke samt Kühltasche und -Akkus eignen sich dafür ganz hervorragend. 😉 Allein die Vorbereitung hat uns schon viel Spaß gemacht.

Es ist erstaunlich wie aus einer Gruppe zusammengewürfelter und unterschiedlicher Menschen doch sehr schnell eine tolle Gemeinschaft entsteht. Auch das Alter spielt überhaupt gar keine Rolle, es ist wirklich völlig egal. Es war definitiv nicht die letzte Tour dieser Art, die wir gemacht haben.

Ein großes Dankeschön an unsere tolle Gruppe (ohne euch hätte es nur halb so viel Spaß gemacht) und natürlich an unsere Guides Eva und Marc (ihr seid die besten).

Wer auch mal Lust auf so ein tolles Abenteuer hat, wir empfehlen euch sehr gerne die Bergschule Oberallgäu. Das Angebot ist groß, ich denke, hier findet jeder eine passende Tour https://www.alpinschule.de/